Im Zusammenhang mit den Diskussionen um Streckensperrungen und Blitzermarathons, denke ich, es ist an der Zeit, sich mal selbst an die eigene Nase zu fassen!
Was bin ich eigentlich für ein Fahrer?
1. Fahre ich eher sportlich und suche meinen Kick dabei, mein Limit zu finden?
2. Liebe ich das aggressive Knurren des Motors beim Beschleunigen?
3. Reiße ich das Gas schon 100 Meter vorm Ortsschild auf und bremse erst spät in die Orte hinein?
4. Fahre ich gern hochtourig durch die Orte, das so der brabbelnde Sound des Motors und Auspuffs besser von den Häuserfassaden reflektiert wird?
5. Fahre ich einen Zubehör-Auspuff?
6. Bevorzugt ohne DB-Eater?
7. Fahre ich gern schnell, gern auch schneller als erlaubt, weil es die Strecke hergibt?
8. Überhole ich häufig die Dosenfahrer, gern auch aggressiv und an unübersichtlichen Stellen?
9. Macht es mir Freude, verunsicherte Autofahrer vor mir her zu treiben und ihnen bis auf 5cm an der Stossstange zu hängen?
10. Wenn ich auf meinem Motorrad sitze, sind mir dann alles geltenden Verkehrsregeln egal?
11. Ist Motorradfahren das letzte Stück Freiheit, welches ich mir nicht einschränken lassen möchte, niemals?
12. Kompensiere ich mit der Größe und Leistung meiner Maschine meine eigene Durchschnittlichkeit?
13. Ich habe eine guten 5-stelligen Betrag für mein Motorrad gezahlt, bezahle Steuern und fahre daher wo und wie ich will?
O.K. einige Fragen sind provokativ und eventuell übers Ziel hinaus. Aber ich finde es schon wichtig, sich auch einmal selbst zu reflektieren. Und mit meinen mittlerweile 34 Jahren Motorrad-Erfahrung sehe ich halt gut, was sich in den Jahren verändert hat. Motorrad fahren ist überwiegend zum reinen Freizeitvergnügen geworden, während wir damals das Motorrad eher als Alltagsgefährt genutzt haben. Das spiegeln auch die heutigen Modelle wieder: aggressive Supersportler, kompromisslose Solo-Maschinen jeglicher Coleur, Hightech-Geräte mit allen machbaren Finessen. Was sich auch geändert hat, ist der Fahrer. Zu meiner Anfangszeit gab es neben den Alltagsfahrern und den Tourenfahrern nur wenige reine Freizeitfahrer. Dementsprechend halt auch die Motorräder.
Heute dominieren die Späteinsteiger oder Wiedereinsteiger mit dickem Geldbeutel. Leute, die auf Kilometerleistungen unter 2000 pro Jahr kommen, Leute, die tief in irgendwelchen Midlife-Krisen stecken, die mit ihrem Motorrad den Alltagsfrust kompensieren möchten, die nochmal jung sein möchten, sich beweisen wollen...und überfordert sind?
Warum unterwerfen sich viele dem herrschendem Leistungswahn? Immer mehr PS, die von 98% der Fahrer nur noch Dank multipler elektronischer Helferlein fahrbar sind? Die Maschine fährt schneller, als der Mensch denken kann, eine gefährliche Entwicklung. Gerade in Anbetracht der im Alter nachlassenden Reflexe! O.k., der Nachwuchs soll sich austoben und muß ja auch Erfahrungen sammeln. Dennoch ist es schon mutig, wenn ich nach 2 Jahren mit geringer Leistung (jetzt 48PS) gleich auf eine 200PS Rakete umsteige. Bin ich dann schon ein sehr guter Fahrer? Habe ich da die Quintessenz des Motorradfahrens verinnerlicht? Ganz ehrlich? Nein! Wenn ich auf Treffs einige Junge Leute sehe, mit ihren Super Maschinen, denen aber die Augen weit aufgerissen aus dem Kopf stehen und wenn man sich dann die Motorräder anguckt und sieht, dass die Reifenflanken noch quasi fabrikneu sind, während der Mittelstreifen bis auf die Karkasse runtergefahren ist, da graust es mir. Ach so, dies betrifft nicht nur "junge" Leute....
Was bleibt, sind Fragen:
Warum fahren wir heute immer aggressiver und rücksichtsloser?
Was macht heutzutage eigentlich noch den Reiz des Motorradfahrens aus?
Warum dieser Leistungswahn?
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Zu mir: Ich habe bei den Fragen oben 4 mal mit Ja geantwortet (vor einem Jahr wären es noch 6 mal gewesen)